Nicht jedes Konsortium ist böse, La Spezia hat immer noch nix Schönes und Variationen von „Meiner ist größer“ im Laufe der Jahrhunderte in San Gimignano
03 / 2016 / Italien / La Spezia / San Gimignano
Wir lernen dazu! Konsortien an sich müssen nicht zwingend böse sein. Nach der Laienspielgruppe der Kapitäne in Orta haben wir ein neues Konsortium kennengelernt: das Consortio Pescatori in La Spezia. Warum neigt der gemeine Italiener eigentlich dazu, sich wie alte Kommunarden in Konsortien zusammenzurotten? Wir vermuten stark, dass dies an der genetisch bedingten, eher kleinen Statur des gemeinen Italieners liegt, der dieser gerne dazu noch einen untersetzten Aspekt hinzufügt ( Pasta und so…). Als kleiner Dicker is man in der Gruppe einfach stärker, basta! Dieses Konsortium der kleinen, dicken Fischer betreibt am Hafen in La Spezia also ein Restaurant, das „Sapori di Mare e di Terra“. Dort stehen die Italiener mittags und Abends tatsächlich über 30 Minuten an, um sich in Kantinen – Atmosphäre Essen auf Plastiktellern abzuholen. Wir haben uns mehrfach gewundert, warum die da alle Schlange stehen und uns dann einfach selber auch mal angestellt. An dieser Strategie darf durchaus gezweifelt werden, ging hier aber mal auf 🙂 War übrigens nicht schön (geht auch nich, logisch, weil in ja La Spezia) aber extrem lecker und billig dazu!
Nach 2 Ausflügen nach Cinque Terre waren wir die ebenfalls in übergroßen Konsortien auftretenden Touristenströme ein wenig leid und haben den Tag in einer Kunstausstellung (war aus gutem Grund sehr, sehr einsam dort) und am Pool im Yachthafen verbracht. Die letzte Nacht in La Spezia haben wir unser Landratten-Hotelzimmer dann noch gegen eine Hotel-Kajüte auf einer großen Motoryacht getauscht. War eine witzige und nette Erfahrung, reicht aber auch für eine Nacht. Die Mücken waren echt, die Klospülung dafür aber eine Attrappe.
Dafür wird uns sehr deutlich vor Augen geführt, wie relativ Maßstäbe doch sind. Als Segler finde ich nach wie vor, dass ein Schiff von 15 Metern ein „verdammt großer Kahn“ ist. In den Yachthäfen von Genua und La Spezia geht das allerdings so bei 35-50 Metern und mehreren Mann Besatzung erst los. Damit sind Yachthäfen also eine der ureigenen Spielwiesen von „meiner ist aber größer als deiner“.
Das ist übrigens ein uraltes Spiel und wurde in San Gimignano mit Türmen gespielt. Dort haben sich die verschiedenen Patrizier-Familien mit dem Bau sogenannter Geschlechtertürme (sag ich doch) in ihrem Luxus aneinander gemessen. Dabei waren diese Türme zugig und unbequem, einer jedoch größer und höher als der andere. Von den 70 Türmen aus dem 14. Jahrhundert sind heute noch 15 Türme übrig und charakterisieren den wunderbaren mittelalterlichen Stadtkern.
Warum San Gimignano aber „so schön“ erhalten ist, hat übrigens eine skurrile Ursache. Nachdem das „immer höhere Türme bauen“ langweilig geworden war, wurde die Stadt 1348 erst durch Kriegsverluste und sehr blutige Familienfehden und dann durch die Pest stark geschwächt. Vier Jahre später musste sich die Stadt dann unter den Schutz von Florenz begeben. San Gimignano, die Stadt, die einst Gesetze gegen übertriebenen Luxus erlassen hatte (Tüme und so…) war verarmt. Der erste toskanische Großherzog (ein Medici aus Florenz) entschied dann 1563, dass kein Geld in San Gimignano mehr investiert werden dürfe. Renaissance und Barock haben dadurch keine Spuren hinterlassen und San Gimignano wurde städtebaulich 1563 geradezu eingefroren. Nix is, wie es scheint. Der investitionstechnische/städtebaulichen Fluch von 1563 war aus heutiger Sicht durchaus ein Segen 🙂
Wie schon in Manarola/Cinque Terre verschwinden die meisten Touristen in San Gimignano ab 19 Uhr. Dabei sind auch offenbar die guten Köche gleich mit verschwunden und wir sind zum ersten mal in diesem Italienurlaub mit schlechtem Essen übers Ohr gehauen worden. Dafür wartet San Gimignano mit einem anderen, unerwarteten Kleinod auf: zwischen doofen etruskischen Scherben gibt es im archäologischen Museum eine Photo-Ausstellung mit Robert Capa’s Bildern über die Alliierte Invasion Italiens von 1943.
Ansonsten reisen wir heute nach Verona weiter. Dort müssen wir unbedingt den bösartigen Schwindel mit den angeblichen Balkon von Julia enttarnen. Da hat ein findiger kleiner Italiener so ganz ohne Konsortium einen halben Sarkophag an eine Hauswand eines ollen Gasthauses genagelt und behauptet nun, das sei der Balkon von Julia aus „Romeo und Julia“…. Dabei weiß doch jedes Kind, das Shakespeare diese Geschichte erstunken und erlogen hat.
Viele Grüße,
Patrick & Bernadette